Das Brausen-Start-up aus dem Schwarzwald

Hans Grohe Gründer-Story: Sprudelnde Ideen seit 1901

Schiltach, 1899. Als der Tuchmacher Hans Grohe im Schwarzwald eintrifft, hat er etwas Startkapital in der Tasche und den Kopf voller Ideen. Ob in seinem feinen Anzug ein Businessplan steckt, darf bezweifelt werden. Er stammt aus Berlin, geht also von Preußen nach Schwaben. Anders als heute, wo Hundertschaften kreativer Gründer genau in die andere Richtung stürmen.

Firmengeschichte Hansgrohe: frühes Familienbild.
Sohn eines Handwerkers und Unternehmers: Hans Grohe (li.) wird als sechstes Kind des Tuchmachers Karl Grohe in Luckenwalde bei Berlin geboren. Auch Hans lernt die Tuchmacherei.

Firmengeschichte Hansgrohe: Von Berlin nach Schiltach, vom Schwarzwald in die Welt

Viele Firmen-Erfolgsgeschichten der jüngeren Vergangenheit haben eines gemein: Am Anfang war die Garage. Steve Jobs mit seinen Apple-Freunden oder Jeff Bezos von Amazon starteten in bescheidenen Hütten, sagt man. Auch Gründervater Hans Grohe begann sein Sanitär-Business in einem kleinen Holzschuppen. Nur, dass dieser nicht in Kalifornien stand, sondern im Schwarzwald. Und dass man eine Metalldrückerei 1901 nicht Start-up nannte.

Zum Wasser drängt, am Wasser hängt doch alles

Berlin – Melting Pot für Kreative und Durchstarter! Berlin, wo Ideen und Investorengelder heute wie Milch und Honig fließen! Auch im ausgehenden 19. Jahrhundert ist Berlin eine aufregende Stadt im (industriellen) Umbruch. Doch der 28-jährige Otto Johannes Grohe, genannt Hans, aus dem nahen Luckenwalde verlässt den Nabel der Welt. Er kehrt den rauchenden Fabrikschloten den Rücken und zieht tief hinein in den Schwarzwald. Warum? Weil „daheeme" längst nicht alles Gold ist, was glänzt – für Handwerker zumal. Weil der gelernte Tuchmacher eine Vision von Glück und Wohlstand hat, die irgendwo im Süden liegt. Auch, weil unlängst seine Frau gestorben ist.

Er packt seine Siebensachen und seine drei Kinder (Helene, Liesel und Hans Junior) in den Zug und lässt sich in der Flößerstadt Schiltach nieder. Den Schwarzwald kennt er schon aus seiner dreijährigen Wanderschaft als Handwerksbursche. Das Kinzigtal fasziniert ihn: Hier sprudelt das klare Quellwasser schon seit Menschengedenken. Und Wasser zieht Hans Grohe magisch an.

Wecker, Küchensieb, Ofenrohr – und dann eine Kopfbrause

Sein Nachbar ist Metalldrücker. Dieses Gewerbe gefällt dem Zugezogenen auf Anhieb. Ein ausgedienter Schuppen am Fluss – die alte Spittelsäge – dient ihm und seinen zwei Mitarbeitern ab 1901 als eigene Metalldrückerei. Dort lernt Hans Grohe das Handwerk von der Pike auf, dort treibt das Wasser die Maschinen an. Und dort legt er den Grundstein für das spätere Weltunternehmen. Er ist ein geschickter Tüftler und Kaufmann. Die Leute lernen ihn als Problemlöser kennen, als „Schaffer", als ihresgleichen. Seine Weckergehäuse für die Schwarzwälder Uhrenindustrie, seine Küchensiebe, Baldachinlampen, Ofenrohrrosetten und Wassersteinseier gehen weg wie warme Wecken.

Wieder stellt das Schicksal eine Weiche: Weil um die Jahrhundertwende problematische hygienische Verhältnisse herrschen, probiert der Jungunternehmer bald etwas Neues aus. Er drückt Messingblech zurecht und fräst Löcher hinein. Im Schiltacher Handelsregister von 1905 findet sich Hans Grohes erster Brausekopf wieder. Das ist es: die Vision, der Süden, das Metall, das Wasser. Der Missstand in Sachen Reinlichkeit führt ihn zu seinem Kerngeschäft. Das Wasser wird sein Lebenselixier, mit den Brausen findet er seine Berufung. Nebenbei macht er sich um die Volksgesundheit verdient. Und er findet eine neue Ehefrau, Magdalene. Mit ihr bekommt er weitere Kinder, darunter seinen Sohn Friedrich.

Firmengeschichte Hansgrohe: Das Kinzigtal wird zum Silicon Valley des Schwarzwalds

Fragt man heute junge Gründer, womit sie zu kämpfen haben, sagen sie: viel Arbeit, hohe Abgaben, wenig Zeit und Geld. Sie neigen dazu, alles selbst zu machen und gehen an ihre Grenzen.

Alleskönner Hans Grohe macht es nicht anders. Er drückt, stanzt, locht und presst. Er grübelt, rechnet und verpackt, ja: liefert seine Waren als Fahrradkurier selbst aus. Für den Workaholic sind 16-Stunden-Tage normal. Erst als aus der Werkstatt ein Familienbetrieb wird und die Belegschaft wächst, lernt er, zu delegieren.

Erfolge und Expansionen, Krisen und Kriege

Der sprichwörtliche schwäbische Fleiß und der Erfindergeist seiner Leute sind die Säulen des Geschäfts. Das ist bis heute so. Und dass man keine halben Sachen macht: Früh führt der Firmenchef Qualitätskontrollen und hohe Standards ein. Nichts verlässt ohne Prüfung das Haus. Die erste Fabrikation mit „Logistikzentrum" baut er in den Garten seines neuen Wohnhauses in der Auestraße. Man könnte es auch „Home Office" nennen. Ab 1908 reist er mit dem ersten Produktkatalog unterm Arm quer durch Europa: Reklame machen, Exportmärkte finden, neue Zielgruppen erschließen. Er führt Großhandels- und Außendienststrukturen ein. „Schon 1913 waren wir eine der besten Spezialfirmen für Sanitätsprodukte", steht in der Familienchronik. Doch dann brechen die großen Kriege los, und auch für Hans Grohe beginnen harte Kämpfe.

Von Höhenflügen, Zerwürfnissen und Neuanfängen

Beide Weltkriege bringen nicht nur Leid, sondern auch wirtschaftliche Rückschläge. Hans Grohe ist Nazi-Gegner und will Friedensware verkaufen – muss aber Heeresbedarf und Zünder produzieren. Mit Mut und Weitsicht segelt er sein Schiff durch alle Stürme. Die Firma H. Grohe, Schiltach übersteht leere Regale, Fachkräftemangel und französische Besatzung. Das liegt vor allem daran, dass der Inhaber ein kreativer „Troubleshooter" ist. Geht nicht, gibt's nicht.

1927 beschäftigt er 96 Leute. Jetzt hat der Badpionier mehr Zeit, Produkte zu erfinden. Einer der Meilensteine des Unternehmens – und der Sanitärgeschichte – ist seine Handbrause mit weißem Porzellangriff (1928). Sie wird zum Kassen- und Exportschlager und prägt die Badegewohnheiten der Menschen. 1938 bilanziert die Firma: 1.900.000 Reichsmark Jahresumsatz. Während Hans Grohes erste automatische Wannenablauf- und Überlaufgarnitur (1934) für Furore sorgt und seine Brausen Abertausenden Menschen Duschvergnügen bereiten, überwirft er sich mit Sohn Friedrich. Dieser gründet 1948 das Unternehmen Friedrich Grohe, das sich ebenfalls zum Weltunternehmen der Sanitärbranche entwickelt – und zur Konkurrenz.

Aufschwung, Wirtschaftswunder, Bauboom

Der Unternehmer heiratet zum dritten Mal, und im Tal der Qualitätsbrausen erblickt 1937 ein weiterer Visionär das Licht der Welt: sein dritter Sohn, Klaus. Als sich Deutschland in den 1950ern wieder aufschwingt, wachsen auch Hans Grohe Flügel. Seine Produkte werden allerorten gebraucht und geschätzt. Der „clevere Hans" hat eine unverwechselbare Marke kreiert – der Traum jedes Firmenbesitzers heute. Das Qualitätslabel „Hansgrohe" ist in aller Munde.

Bei seinem letzten Geniestreich ist der Gründervater bereits 82 Jahre alt. Er erfindet das, was heute Standard in nahezu jedem Bad der Erde ist: die Duschstange. Man kann sagen: 1953 ist die „Unica" eine sanitäre Sensation. Hans Grohe übergibt den Führungsstab an seine Söhne und verstirbt 1955. Er hat ihnen den Weg in eine goldene Zukunft bereitet. 

Von der trostlosen Nasszelle um 1900 bis zum Designbad des 21. Jahrhunderts

Hans Grohe und Nachfahren haben die Duschkultur und Bad(e)geschichte der Menschen stark geprägt. Heute sind weltweit rund 5.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Hansgrohe Group beschäftigt. 2022 knackt die Hansgrohe Group die 1,5 Milliarden Euro Umsatzmarke und ist eines der Schwergewichte der Sanitärbranche.
Innovationsmanagement
Schwarzwälder Tüftler
Steffen Erath, Head of Innovation.
Klaus Grohe
Genialer Kopf, im Herzen grün